Eltern Fiala & Kvaček


Die Eltern gehörten zur Wiederaufbaugeneration. Schwere Arbeit im Lebensmittelhandel, immer unter Druck durch die stärker werdenden Lebensmittelketten, kein freies Wochenende, kein gemeinsamer Urlaub.

Beide Elternteile waren zeitlebens Wiener Tschechen und Teil der tschechischen Minderheit in Simmering.

Mutter Martha Kvaček

Die Mutter war Lebensmittelhändlerin von Jugend an. Viele ihrer Kunden waren damals in den 1930er Jahren ebenfalls Tschechen, Sprachprobleme gab es daher nicht. Lediglich, wenn ein Lieferant kam, um Waren abzuliefern, sagte sie ihm „Komm in Kíche!“, denn dort, in der Küche, konnte ihre Mutter die Begleitpapiere unterschreiben – so erzählte das eine Tante, die der Großmutter oft zur Seite gestanden ist.

Die Mutter Martha Kvaček besuchte

  • drei Klassen der tschechischen Volksschule Brehmstraße,
  • die vierte Volksschulklasse in der Schützengasse,
  • die tschechische Hauptschule in der Hainburgerstraße,
  • die tschechische kaufmännische Schule in der Vorgartenstraße
  • die Handelsschule in der Akademiestraße.
4. Volksschulklasse, Schützengasse 31 (1931)
Tschechisches Zeugnis der vierten Klasse

Die Mutter war zwar in Wien geboren, erhielt aber nicht automatisch den Wiener Heimatschein – sie war Tschechin. Ab 1936 reiste sie als 15-jährige zu Verwandten nach Tschechien – mit einem tschechischen Pass:

Noch 1946 hatte die Mutter einen tschechische Heimatschein.

Sie war zeitlebens Mitglied beim „Tschechischen Herz“, der Tschechischen Sozialistischen Partei in Wien.

Die Teilnahme am Maiaufmarsch der Simmeringer Tschechen war in dern 1940er Jahren selbstverständlich.

Simmeringer Tschechen am 1. Mai 1950 am Rennweg

Gleichzeitig beteiligte man sich an den Veranstaltungen des nationalen Sokol.

Wappen des Turnvereins „Sokol“ (Falke)
Turnerinnen des Sokol III. und XI. (1935)
Sokol Wien 10, Ettenreichgasse (1960)
im Hintergrund Antonskirche

Schauturnen (Slet) des internationalen Sokol in Wien 1962 am Tschechisches Herz Platz (später Horr-Platz)

Schauturnen der Frauen
Auf der Tribüne, 1962

Vater Josef Fiala

Der Vater Josef Fiala wuchs in extremer Armut auf. Seinen Freund Gustav als Vorbild nehmend, meldete er sich ohne Wissen seiner Eltern nach der Hauptschule in der tschechischen Handelsschule in der Vorgartenstraße an, obwohl seine Eltern einen zusätzlichen Verdiener dringend gebraucht hätten.

Nach einem verpflichtenden Landdienst wurde er zur Fliegerabwehr in der deutschen Wehrmacht eingezogen und rüstete als Feldwebel ab.

Danach begann er eine Karriere im Kartonagengewerbe bei Firma Karl Winter Kartonagen GmbH in Wien 12., Kunerolgasse 1a (besteht nicht mehr). Nach der Heirat mit Martha Kvaček nahm die Mitarbeit im Lebensmittelgeschäft zu, und er musste schließlich die Anstellung in der Kartonagenfirma beenden.


Der Alltag im Elternhaus war tschechisch – ohne Ausnahme. Die Umgangssprache zu Hause war tschechisch, im Berufsalltag aber deutsch.

Der tschechische Einfluss des Vaters war geringer als der der Mutter, obwohl beide praktisch dieselbe Laufbahn in der tschechischen kaufmännischen Schule absolviert haben. Der Grund dürfte wohl der Wiener Heimatschein des Vaters verbunden mit dem verpflichtenden Militärdienst gewesen sein.

Grillgasse 35

Bis 1956 bewirtschafteten die Eltern das Lebensmittelgeschäft der Großeltern in der Grillgasse 38. Doch dieses kleine Geschäft wäre dem wachsenden Druck der großen Ketten nicht gewachsen gewesen. 1956 erwarben sie ein Ecklokal in dem gegenüber liegenden Eigentumswohnhaus in der Grillgasse 35.

Lebensmittelgeschäft der Eltern in der Grillgasse 35 (23.3.1956)

Sie schafften es, trotz des Konkurrenzdrucks einer nahe gelegenen, großen Konsum-Filiale den Betrieb bis zu ihrer Pensionierung 1979 zu führen.