Autor Franz Fiala


Der Autor ist ein Migrant dritter Generation, in der Jugend ein Wiener Tscheche.

Für seine Eltern war es klar, dass ihr Kind die Tschechische Schule am Sebastianplatz besuchen sollte. Gleichzeitig war es ihnen aber auch wichtig, dass es ihrem Sohn besser gehen sollte, daher erfolgte mit 10 Jahren ein Wechsel in die deutsche AHS in der Gottschalkgasse.

Wohnorte

  • 1948=1939 Simmering, Sedlitzkygasse 14
  • 1949=1983 Simmering, Lorystraße 17
  • 1983= Favoriten, Siccardsburggasse 4

Schule und Beruf

  • 1952=1957 Kindergarten und Tschechische Volksschule Sebastianplatz 4, 1030 Wien
  • 1957=1966 GRG, Gottschalkgasse 21, 1110 Wien
  • 1966=1975 TU-Wien, Karlsplatz 13, 1040 Wien
  • 1975=1980 AIT (früher Arsenal Research, damals BVFA-Arsenal), 1030 Wien
  • 1980=2003 TGM (HTBLVA Wien 20.), Wexstraße 19-23, 1200 Wien
  • 1986= PCNEWS und ClubComputer

Assimilation

  • 1948-1970 František Fiala
  • 1970-1980 Franz Fiala
  • 1980-heute Franz Fiala

In der Kindheit lebte der Autor in der Parallelwelt der tschechischen Minderheit in Simmering und hieß damals František, scherzhaft nannte man ihn Franta Rámus, also etwa „der lärmende Fraunz“. Meine Umgangssprache war etwa bis zum 20 Lebensjahr Tschechisch. Nach dem Tod meiner Großmutter begann eine langsame Entwöhnung der Muttersprache – oder der Erstsprache, wie man heute sagt.

Großeltern, Eltern, Tanten und Onkeln (1952)

Dieses Bild steht stellvertretend für die Wiener Tschechen der 1950er Jahre. Drei Familien aber nur ein Kind. Keine weiteren tschechisch sprechenden Kinder im Haus oder im Bezirk.

Meine vorrangige Bezugsperson war meine Großmutter, die auch das ungekrönte Oberhaupt der Pohan-Familie war. Ihre Spezialität war zweifellos das heute so genannte „Vepřo, knedlo, zelo“. Sie nannte es aber „Vepřové, knedlíky a zelí“. Ich vermute, dass die erstgenannte Wortschöpfung viel jünger ist. Andere Spezialitäten der tschechischen Küche waren ihr zu aufwändig, daher war der Rest einfach wienerische Hausmannskost und Resteküche von Lebensmitteln, die man im Geschäft nicht mehr verkaufen konnte.

Kindergarten und Volksschule

Die Volksschulklasse bestand aus 20 Kindern, war also ganz gut gefüllt. Die Kinder kamen aus ganz Wien, vor allem aus dem 3., 10., und 20. Bezirk. Ich war der einzige Simmeringer.

Erst in der Volksschule lernte ich richtig Tschechisch, denn nach dem ersten Kontakt mit den dortigen Lehrerinnen musste mir klar gewesen sein, dass das Kuchlböhmisch der Großmutter etwas war, das man nur in Simmering verstand.

Die Schule war ein Paradies der Ordnung. Klassenzimmer mit Parkettböden, auf Hochglanz poliert; Zentralheizung überall; Straßenkleidung wurde klassenweise in absperrbaren Garderoben abgelegt; Schulküche; Ganztagsbetreuung. Diesen Komfort muss man sich im Vergleich zu einem – auch für die 1950er Jahre – sehr einfachen Haushalt vorstellen.

Pionierlager

Schon damals war das Einzelkind-Dasein mit wenig Kontakt zu anderen Kindern der Anlass für die Eltern das Ferienangebot der tschechischen Schule zu nutzen. Der Franz fuhr in ein Pionierlager. Der 8-jährige bekam einen Reisepass und durfte/musste in „die Fremde“. Die geheimnisvollen Kontrollen an der Grenze deuteten ein eher weniger befreundetes Nachbarland an. Man wurde für einen Monat ein Pionier in einem internationalen Ferienlager für Kinder – Gehirnwäsche inklusive. Mit militärisch anmutendem Tagesablauf; Hissen der Fahnen mit Absingen der tschechisch-slowakischen Hymne; Huldigung des friedliebenden Sowjet; Tagesbefehl; kollektive Arbeiten auf Feldern (Klauben von Kartoffelkäfern), dazu körperliche Ertüchtigung mit Sport, Schwimmkursen, Wandern/Marschieren, uniformiert mit weißem Hemd und rotem Tuch (das war eine Ehre, das hatte man am Anfang nicht.)

Tägliche Flaggenparade im Pionierlager in Křižanov.
„KŘIŽANOV MEZINÁRODNÍ PIONÝRSKÝ TÁBOR MÍR“

Hier wird sichtbar, welche Zerreißprobe die Wiener Tschechen seit der Errichtung des Eisernen Vorhangs 1948 durchlebten. Einerseits lebten sie in einer Demokratie, anderseits fühlten sich viele mit ihrem kommunistischen Mutterland verbunden. Die Zweiteilung war allgegenwärtig.

Schulausflug in die Wachau, 1958-06

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Direktor der Tschechischen Schule am Sebastianplatz Onkel Franz Carda war, der ebenfalls im Haus der Eltern in der Lorystraße wohnte. Währens das Kind „Franz“ zu den Wohnungen der Verwandten „freien Zutritt“ hatte, war das beim Onkel nicht so – wenn er zu Hause war. Dann musste man schon angemeldet sein.

Die Tante hatte mehrere Spezialitäten, zu denen sie regelmäßig einlud, und das waren Palatschinken, Dukatenbuchteln und Kuttelflecksuppe.

Die Eltern wollten ihrem Kind die Mühen ihres eigenen Berufs als Gemischtwarenhändler ersparen und wählten die nahegelegene deutsche AHS als Grundlage für ein später hoffentlich besseres Leben. Der Übergang zur deutschen Umgangssprache war problemlos, weil die tschechischen Schulen Deutsch als Fremdsprache unterrichten und man nach der Volksschule mit 10 Jahren in jede andere deutsche Schule wechseln kann.

Damit endete aber das Kapitel „Wiener Tscheche“ und das Kapitel des „Echten Wieners“ begann. Siehe Seite Echte Wiener.

In allen diesen Jahren war dem Autor die Rolle als Migrant nicht bewusst, weil nie jemand in abwertender Weise auf diesen Umstand hingewiesen hat. Im Gegenteil wurden in den Medien die kollektiven tschechischen Wurzeln der Wiener verklärend freundlich dargestellt.

Bis Haider kam. Mit dem Auftreten dieses rechtsextremen Politikers, wurden Migranten als unerwünschter Menschenschlag gezeichnet, etwas, das beim Autor eine instinktive Solidarisierung mit diesen Schichten bewirkt hat. Gleichzeitig stieg das Interesse an der eigenen Herkunft.

2011 entstand ein Stammbaum und eine Darstellung der Migranten im Artikel Zuagraste in Wien in der Computer-Zeitschrift PCNEWS, etwas, das thematisch gar nicht passte aber wegen der großen eigenen Betroffenheit der Leser ein überraschend großes Echo hervorrief. Schließlich wurde die Gemeinde Vösendorf auf diese Arbeiten aufmerksam und lud den Autor 2018 aus Anlass 200 Jahre Wiener Ziegelindustrie zu einem Vortrag über die Vösendorfer Ziegelarbeiter ein. Aus diesen Vorarbeiten entstand nun diese vorliegende Arbeit powidales über die Wiener Tschechen.